Impressionen vom Staufer Open 2017

Nach dem Turnier ist vor dem Turnier – für das Staufer-Open 2017 gilt dies nicht. Zu spannend waren die Ereignisse. Franz Ernst schreibt in einem ausführlichen Gastbeitrag über das Turnier (Foto: Hannes gegen IM Zeller), in einem Interview mit Hannes Ewert werfen wir einen Blick hinter die Kulissen und in einer Partienachlese gibt es Andres „irres Opfer“ zu sehen und wie man einen GM in 11 Zügen vom Brett fegt.

Unschlagbar günstig!

Ein Gastbeitrag von Franz Ernst

Das Staufer Open findet traditionell vom 02.-06.01. eines jeden Jahres statt. Im Jahre 2017 wurde es zum 29. Male ausgetragen. In regelmäßigen Abständen nehmen auch größere Abordnungen vom SV Hellern am Open teil, zuletzt im Jahre 2013. Dieses Jahr begaben sich sechs Schachrecken nach Schwäbisch-Gmünd, nämlich Hannes Ewert und Franz Ernst im A-Open sowie André Böhme, Stefan Ewert, Stefan Grasser und Thorsten Weist. In Schwäbisch-Gmünd trafen wir noch auf die Nürnberger Schachfreunde Hermann Schlötterer (besser bekannt als „Schlötti“) und dessen Sohn Florian.

Dieses Jahr hatten wir uns in der Finanzschule des Landes Baden-Württemberg einquartiert. In dem Zweckbau sind pro Haus mehrere Zehner-Wohneinheiten, die über einen gemeinsamen Aufenthaltsraum mit Küche verfügen, zusammengefasst. Die Zimmer sind zwar spartanisch eingerichtet, verfügen aber jeweils über Dusche und WC, der Preis ist mit 22,00 € pro Übernachtung (ohne Frühstück) unschlagbar günstig.

Die Entfernung zum Turniersaal, der wie immer im Kongresszentrum der Stadt Schwäbisch-Gmünd angesiedelt war, betrug ca. 25 Minuten, auf hälftiger Strecke befindet sich ein Einkaufszentrum nebst Bäckerei/Café, in der André, Thorsten und Franz, teilweise in zusätzlicher Begleitung, morgens ein Brötchen und einen Kaffee zu sich nahmen. Auch im Kongresszentrum selber gab es eine Küche, die insbesondere abwechslungsreiche und schmackhafte Mittagsmenüs für 6,00 € herausgab.

Die Spielbedingungen waren wie immer hervorragend, ich darf insoweit auf die Berichte meiner Vorgänger verweisen. Direkt unterhalb der Bühne befindet sich das Prunkstück des Turniers, der sogenannte „Käfig“, in dem elf Bretter mittels einer Balustrade vom übrigen Turniersaal abgeteilt sind. Dort finden dann naturgemäß die Spitzenbegegnungen statt.

 


Durchwachsener Auftakt, starker Schlussspurt

Das Turnier war mit ca. 390 Teilnehmern sowohl von der Breite als auch der Spitze her sehr gut besetzt. Aufgrund ihrer Turnierwertzahlen (TWZ) mussten Hannes und Franz im A-Open mitspielen, hier kämpften immerhin 204 Teilnehmer um die Siegespalme, unter anderem 11 GM und 8 IM.
Angeführt wurde das Teilnehmerfeld von dem ukrainischen Großmeister Sergej Fedorchuk mit einer Elo von immerhin 2625. Hannes war die Nummer 57 der Setzliste, Franz Nummer 119. Am B-Open nahmen 185 Spieler teil.

Für Hannes und mich verlief der Auftakt im A-Open durchwachsen, Hannes verlor in der ersten Runde gegen IM Bernhard Bayer, der ein starkes Turnier spielte und in der Endabrechnung Siebter wurde. Die zweite Runde konnte Hannes gegen einen ratingschwächeren Spieler gewinnen. Ich spielte zweimal gegen ratingschwächere Gegner Remis. In der dritten Runde verloren Hannes und ich im Gleichschritt, wobei meine Niederlage gegen den ratingstarken Hildenbrand (2226) ausgesprochen unnötig und ärgerlich war.

In Ernst – Hillenbrand ging es hin und her. Aber Franz konsolidierte die Stellung und stand nun sogar auf Gewinn. Er spielte 33. Dd4. Stärker war der Damezug nach c1, aber das am Brett zu finden, ist natürlich nicht einfach. Warum dies gewann? Bitte hier nachspielen (Anm. d. Red.)
In der vierten Runde konnten Hannes und ich gemeinsam gewinnen, so dass wir nach zwei Turniertagen mit 2/4 ausgeglichen, aber nicht besonders gut dastanden. Wir waren uns beide einig, dass das Turnier für uns am dritten Spieltag beginnen würde. Für Hannes war der dritte Spieltag in der Tat der Wendepunkt, er gewann beide Partien, während ich in der fünften Runde gegen einen zunächst wesentlich ratingstärkeren Spieler (2199) antreten musste, um dann in der Nachmittagspartie zu versuchen, den Widerstand eines ratingschwächeren Spielers zu brechen – diesmal noch erfolgreich.

Nach sechs Runden also 4/6 für Hannes und 3/6 für mich. Die letzten drei Runden wurden für Hannes dann zu einem Triumphzug (Schach-Hellern.de berichtete – fast – live). Hannes besiegte zunächst mit Schwarz FM Keller (2295). Keller nahm Hannes (immerhin 2184) nicht recht ernst, vermutlich meinte er, ein Spieler mit 4/6 könne nicht besonders gefährlich sein. Seine sorglose Spielweise rächte sich allerdings schnell, auch ein Remisangebot nach ca. 13 Zügen – FM Keller hatte wohl gerade gemerkt, dass ein Bauer verloren geht – konnte Hannes nicht stoppen, der seinem Gegner höflich, aber bestimmt den vollen Punkt abknöpfte.
Hannes nahm dann in imponierender Weise zunächst GM Dgebuadze einen weiteren halben Punkt ab, um dann in der letzten Runde mit dem Glück des Tüchtigen auch noch IM Zeller zu schlagen. Die tollen Partien wurden bereits dank unserer Online-Redaktion (Danke Otto!) ausführlich kommentiert und vorgestellt. Hannes erreichte einen ausgezeichneten 13. Platz, punktgleich mit den Rängen 7 bis 14.

Ich konnte meine Serie nur eingeschränkt fortsetzen: Zwar verlor ich meine Vormittagspartie in der siebten Runde gegen FM Dorst (2191) mit Weiß, konnte dann aber gegen zwei deutlich ratingschwächere Jugendliche in den Runden Acht und Neun nur noch remisieren, was in der Endabrechnung Platz 129 ergab – insgesamt sicherlich noch im Rahmen mit einem nur leichten Ratingverlust. Hannes gewann neben etlichen Ratingpunkten auch noch den Preis für den besten Jugendlichen bis Jahrgang 2001. Sieger des A-Opens wurde GM Burmakin vor GM Miezis, der Elofavorit GM Fedorchuk wurde am Ende noch Fünfter (alle sieben Punkte).

Das B-Open gewann der elolose Frank Dangelmayer mit hervorragenden acht Punkten, Schlötti wurde mit 6,5 Punkten guter Achter und konnte den Seniorenpreis des B-Opens für sich erringen. André wurde mit ebenfalls 6,5 Punkten 14., Stefan Ewert mit 6 Punkten 21., Thorsten erreichte mit 5,5 Punkten den 28. Platz, während sich Stefan Grasser mit 5,0 Punkten und dem 55. Platz zufriedengeben musste.

Besonders erfreulich ist, dass unser alter Schachfreund Christian Fiekers an zwei Tagen zu uns stieß und von Donnerstag auf Freitag mit uns zusammen Essen ging. Schade, dass wir uns so selten sehen. Immerhin gibt es einen hervorragenden Grund, sich auch für 2018 auf das Staufer Open und ein Treffen mit Christian zu freuen: Nächstes Jahr findet das 30-jährigen Turnierjubiläum statt, dieses sollte Ansporn für alle Helleraner sein, ein tolles Turnier in einer großartigen Atmosphäre zu erleben.

Franz Ernst


Interview mit Hannes

Schach-hellern.de: Zunächst ganz herzlichen Glückwunsch zu dem tollen Turnier. Wir haben uns in Hellern alle gefreut, auch wenn ich mir eine Live-Übertragung gewünscht hätte. Was denkt man sich eigentlich dabei, wenn überall über Vincent Keymer geschrieben wird und nicht über Hannes Ewert, der in der Tabelle vor ihm landete?

Hannes Ewert: Danke, es ist immer eine zusätzliche Motivation, wenn man weiß, dass man aus der Heimat zusätzliche Unterstützung bekommt. Ich kann das absolut nachvollziehen, dass über Vincent Keymer berichtet wird. Er hat für sein Alter eine überragende Spielstärke und hat schon mehrmals bewiesen, dass er mit den „Großen“ mithalten kann. Natürlich wäre es schön gewesen, wenn man auch über mich berichtet hätte, aber vielleicht kommt das noch…

Schach-hellern.de: Kommen zu den drei Partien. Du weißt sicher, welche wir meinen. Der Sieg gegen FM Keller gelang in einem phantastischen und auch kaltblütigem Endspiel mit ungleichen Läufern. Wie fühlt man sich nach so einer Partie?

Hannes Ewert: Ich denke, dass mein Gegner mich nicht ernstgenommen hat. So wie er die Züge notiert und die Figuren gezogen hat, kam das so rüber als würde er denken, ich hätte mir aufgrund des Ratingunterschieds keines der vorderen Bretter verdient. Nach der Partie war ich sehr zufrieden mit mir, denn ab und zu muss man auch gegen einen Stärkeren gewinnen.

Schach-hellern.de: Das Remis gegen den belgischen Großmeister, nun, da ist noch ein Rätsel auflösen. Die Engine sieht eine Gewinnstellung für Dich. Wie hast Du die Stellung kurz vor der Punkteteilung eingeschätzt und wolltest Du das Remis forcieren?

Hannes Ewert: Spätestens nach dem Massenabtausch auf e5 war mir bewusst, dass ich mindestens einen Bauern gewinnen werde und vermutlich auch besser stehe. Ob das für einen Gewinn reichen würde, war mir aber nicht klar. Deswegen habe ich nicht Te4 gespielt, sondern De4 um das Remis forcieren. Ich wollte lieber etwas Zählbares mitnehmen, anstatt vielleicht mit leeren Händen da zu stehen, weil ein Spieler mit der Klasse Dgebuadze kann das Ruder immer rumreißen.

Schach-hellern.de: Zum Schluss gab es Schwarzsieg gegen IM Zeller. Wann hast Du gewusst, dass Du das Ding gedreht hast?

Hannes Ewert: Nach des Bauerneinstellers d4 und dem darauffolgendem Se3 wurde er ganz nervös und unruhig. Er überlegte lang und da war mir klar, dass er das nicht gesehen hat und nun auf Verlust steht. Nachdem sich dann die Damen getauscht hatten, ging es mir nur noch darum den klaren Vorteil zu verwerten, was mir dann auch gelang.


Partienrückblick: Andres irres Opfer

Aus dem B-Open haben uns mittlerweile auch einige Partien erreicht. Aus der Vielzahl der interessanten Arbeitsmuster sticht jedoch eine Partie hervor. Es ist das spektakuläre Damenopfer von Andre Böhme aus Runde 2. Dass es nicht korrekt war, spielt keine Rolle. Auch einige der berühmten Opferpartien von Tal werden bekanntlich von Engines ‚entlarvt‘. Dabei ist Anspruch nach Objektivität völlig gerechtfertigt, aber der Wettkampfaspekt ist halt ein anderer. Und mal ehrlich: Wenn Großmeister dem taktischen Druck einer Hammer-Kombination nicht standhalten können, warum sollte man das von einem Amateur erwarten? Deshalb: Nachspielen und genießen!

 

[Event „29. Staufer-Open (B)“]
[Site „Schwäbisch Gmünd“]
[Date „2017.01.02“]
[Round „2“]
[White „Boehme“]
[Black „Bornmueller“]
[Result „1-0“]
[ECO „B07“]
[WhiteElo „1889“]
[BlackElo „1703“]
[Annotator „Thal,Ortwin“]
[SetUp „1“]
[FEN „1r3k2/p1q1rpb1/3p1n2/2pPnP2/6p1/1PB3N1/P2QB2P/3RR2K w – – 0 32“]
[PlyCount „25“]
[EventDate „2017.??.??“]
[EventType „swiss“]
[EventRounds „9“]
[EventCountry „GER“]
[SourceDate „2015.09.05“]

32. Qg5 $1 Rbe8 33. Rg1 $3 $18 Qb7 {[%cal Rb7d5,Rf6d5]} 34. Bc4 $6 (34. Nh5 $1
Nxh5 35. Bxg4 f6 (35… Nf6 36. Bf3 Nfg4 37. Bxg4 f6 {[%cal Ge7g7]} 38. Qh5 $18
) 36. Qxh5 $18) 34… Nf3 35. Qxg7+ $4 {Böhmes irres Opfer! Die Engine
stellt kalt fest, dass Weiß völlig hoffnungslos auf Verlust steht.
Angesichts des entstehenden Chaos kann man es auch anders formulieren: Andre
spielt mit einem Verlustzug auf Gewinn.} Kxg7 36. Nh5+ Kh6 $5 {Psychologisch
recht bemerkenswert, dass sich der Nachziehenden in eine gefährlichr Randlage
begibt.} (36… Kf8 37. Nxf6 Re3 $1 (37… Rd8 38. Nh7+ Kg8 39. Nf6+ Kf8 $11)
38. Nxe8 Rxc3 39. Nxd6 Qe7 $19 {geht überhaupt nicht.}) 37. Nxf6 Nxg1 38. Rxg1
(38. Nxg4+ {Schwarz muss etwas zurückgeben, dann passiert auch nichts:} Kg5
39. Rxg1 {[#]} Re1 $1 40. Bxe1 Rxe1 41. Rxe1 Kxg4 $19) 38… Kg5 $4 (38… Re4
39. Bd2+ Kg7 40. Nxe8+ Rxe8 41. Rxg4+ Kf6 42. Bg5+ (42. Bc3+ Kxf5 $19) 42…
Kxf5 $19) 39. Rxg4+ Kh6 40. Rh4+ (40. Bd2+ $1 {[%csl Rg5,Rg6,Rg7,Rh5,Rh7] und
Schwarz muss tonnenweise Material zurückgeben:} Re3 41. Nxe8 Qe7 42. Rg3 Qe4+
43. Kg1 Qxe8 44. Rxe3 $18 {Übrigens: Stockfish zeigt hier Matt in 15 an.})
40… Kg5 ({Nach f8 kann der König nicht mehr fliehen:} 40… Kg7 41. Nxe8+
Kg8 42. Rh8#) 41. Rg4+ Kh6 (41… Kxf5 42. Bd3+ Re4 43. h3 $1 (43. Nxe8 Kxg4
$19) 43… R8e5 44. Nxe4 Qxd5 45. Rg5+ Ke6 46. Rxe5+ dxe5 (46… Qxe5 47. Bc4+
$18) 47. Bc4 $18) 42. Bd2+ $1 {Endlich!} Re3 43. Nxe8 Qe7 44. Rg3 $1 {Ein
befreundeter FM, berichtete Andre, habe diese Partie mit großem Staunen
verfolgt und sie als großartige Inspiration empfunden. Eine bemerkenswerte
Anerkennung.} 1-0

So schön kann Schach sein. Das Staufer-Open hatte auch 2017 viel Außergewöhnliches zu bieten, nicht nur in der A-Gruppe und nicht nur im „Käfig“. Eine der erstaunlichsten Partien habe ich mir für den Schluss aufgehoben. Und ganz ehrlich: Wer möchte sich nicht den Film „Amateur schlägt Super-Großmeister in elf Zügen anschauen“ anschauen? In der Hauptrolle: Uwe Kersten. Gut, der ist FIDE-Meister – klasse ist das trotzdem!

[Event „29. Staufer-Open (A)“]
[Site „?“]
[Date „2017.01.02“]
[Round „2“]
[White „Kersten“]
[Black „Fedorchuk“]
[Result „1-0“]
[ECO „B22“]
[WhiteElo „2280“]
[BlackElo „2625“]
[Annotator „Bulletin“]
[PlyCount „25“]
[EventDate „2017.??.??“]
[SourceTitle „Bulletin“]
[Source „Dr. Ortwin Thal“]
[SourceDate „2015.08.08“]
[WhiteTeam „Kasseler SK“]

1. e4 c5 2. Nf3 e6 3. c3 d5 4. exd5 Qxd5 5. d4 Nf6 6. Be3 cxd4 7. cxd4 Bb4+ 8.
Nc3 Bd7 9. a3 Bxc3+ 10. bxc3 Bb5 $4 (10… Qa5 $11) 11. c4 $3 $18 {Bereits 1x
gespielt in Duran-Novotny (2012).} Bxc4 12. Bxc4 Qxc4 13. Rc1 {Spektakuläre
Niederlage des Großmeisters.} (13. Rc1 Qa2 14. Rc8+ Ke7 15. Rxh8 $18) 1-0

 

 

Fotomaterial

Wir bedanken uns für die zur Verfügung gestellten Fotos beim Veranstalter und natürlich bei SF Wernfried Tannhäuser für die Zusammenarbeit!

© 2017 SGEM Schwäbisch Gmünd 1872 e.V.