Landesliga Nord

Hellern schafft es nicht aus eigener Kraft

Topspiel gegen Lüneburg endet 4-4


(v.l.n.r.: Ernst, Bade, Dr. Gronde, Niendieker; oben: Stock, Happe, Röhrich, Hart)

Kurz vor Beginn: die Mannschaft sieht optimistisch aus – immerhin kann sie aus eigener Kraft aufsteigen!

Die Vorbereitung auf das entscheidende Match war optimal. Frühe Anreise am Vortag, ein gemeinsames Essen und ein unterhaltsamer Kegelabend – alle traten in bester Stimmung und gut ausgeschlafen an. Nur zwei Spieler reisten am Spieltag an: Franz und Stephan. Und Franz, dem Fahrer, steckte wohl noch die mehrstündige Anreise in den Knochen, denn als die anderen noch ihre Figuren zurechtrückten, war unser achtes Brett bereits in eine Falle gelaufen – und weg war die Figur. Trotzdem fightete Franz noch einige Stunden, ehe der Gegner den Materialvorteil realisieren konnte.
Eine weitere Vorentscheidung fiel dann am 4. Brett, wo Reinhold viel investierte. Im 10. Zug konnte er mit einem Rösselsprung nach f4 für deutlichen Vorteil sorgen, dann verrechnete er sich und stand nur wenige Züge später vor einer Ruine. Shit happens.
Klar, man läuft nicht gerne einem virtuellen 0-2 hinterher. Fabelhaft aber, wie an allen Brettern dann gefightet wurde.

Brett 1: Tolle Partie von Ingo. Nach 18 Zügen am Spitzenbrett auf Gewinn zu stehen, das ist schon eine Ansage. Die taktischen Komplikationen waren aber extrem und Till Schreiner verteidigte sich aufmerksam, aber nicht durchgehend fehlerfrei. 3x war der Gewinn fällig, 3x war er schwer zu finden. Und unmittelbar vor dem verblüffenden Partieende hatte Ingo gar noch ein Dauerschach auf dem Brett – hinterher sprach er vom „schlimmsten Schacherlebnis der letzten zehn Jahre.“

Brett 2: Für Jörg war angesichts der gnadenlos effektiven Vereinfachungsstrategie des Gegners absolut nichts zu holen. Was bleibt, ist eine technisch fehlerfreie Partie.


FM Rabeler (l.) spielte gegen Jörg Stock sehr
vorsichtig: Remis!


Brett 3: Stephan trauert einer von Gelfand gespielten Partie hinterher, aber trotz der Erinnerungslücke spielte er umsichtig, denn Schwarz verfügte bis zum Schluss über beachtliche Ressourcen


.
Stefan Niendieker (r.) teilte mit dem Lüneburger
Stefan Becker den Punkt!


Brett 4: Bereits erwähnt …

Zwischenfazit: 1-3 an den Spitzenbrettern hätte ich nie für möglich gehalten, es hätte umgekehrt kommen können, kam es aber nicht. Später stand es dann 3-1 für Lüneburg und nach Ingos fataler Niederlage gar 4-1 und die Lüneburger durften sich am Ende den Kopf darüber zerbrechen, warum sie denn den fehlenden halben Zähler nicht unter Dach und Fach gebracht hatten!

Brett 5: Locke hatte Glück, als sein Gegner den falschen Abzug wählte, dann aber hat er den Gegner überspielt. Hier haben wir einen halben Punkt zurückgewonnen.

Brett 6: Hajo musste angesichts des Spielstands einiges riskieren, hielt aber den Kopf hin und landete prompt in einer schlechten Stellung. Auch hier schwächelten die Lüneburger und Hajo kam groß zurück und mit seinem Sieg wurde mindestens ein halber Punkt zurückgewonnen, eigentlich sogar ein ganzer. Tolles Kampfschach!

Brett 7: Klarer Sieg für Stefan, der einfach die meiste Zeit das bessere Schach spielte und mit einigen Endspiel-Finessen für einen gerechten Partieausgang sorgte. So etwas wird gelegentlich belohnt und in Lüneburg sorgte es für das 4-4.

Brett 8: Bereits erwähnt …


Franz Ernst (l.) sieht gerade nichts Gutes
auf dem Brett: Ulrich Kubicki (r.)


Also ein insgesamt leistungsgerechtes 4-4, auch wenn man dem fehlenden 'Halben' nachspüren möchte. Aber die Lüneburger können das gleiche Lied anstimmen, auch sie hätten gewinnen können.

Randbemerkung: Die Wettkampfausrichtung war in punkto Gästebetreuung beispielhaft negativ. Nicht einmal ein Sixpack mit Wasser stand auf dem Tisch. Ein Getränkeautomat ohne Wechselgeldfunktion stand der völligen Dehydrierung immerhin im Weg- so macht Schach keinen Spaß.


Spielnotizen und sonstige Impressionen…
von Dr. Ortwin Thal


Warum unser Spitzenspieler Dr. Ingo Gronde (r.) mehrfach den Gewinn verpasste? Versuchen Sie einfach mal, die folgende Diagrammstellung zu lösen! Weiß am Zug.


Gronde (2214) - Schreiner (2266)
Landesliga 2012/13 (8), 14.04.2013

Schreiner hatte zuletzt 24...Kb8 gespielt, wonach 25.Ta5?! folgte. Gewonnen hätte 25.Da5!! Lc6 will den Läufer nicht hergeben (einfach wird es nach 25...g6 26.Sxb7 Dxb7 27.Txd7 Txd7 28.Dxa6 Dxa6 29.Txa6+-) 26.Tac4 La8 27.Sb5 Txd4 (auch diese Nebenvariante hat es in sich: 27...Db7 28.Dxd8+!! …hätten Sie den gesehen? 28…Txd8 29.Txd8+ Dc8 30.Tcxc8++-) 28.Sxa7 Kxa7 29.Tc7+ Lb7 30.Txf7 T8d7 31.Txd7 Txd7 und wer so weit alles berechnet hat, muss auch noch einschätzen, ob die Dame gegen Turm, Läufer und Springer gewinnen kann: 32.f5! Lc6 33.fxe6 Td5 34.Dc3 Tc5 35.Dd4+-


Der Spitzenkampf am 1. Brett gehörte zu den spannendsten Partien der Saison. Tragisch war am Ende, dass Ingo kurz vor Schluss vor einem raffinierten Matt stand, selbst aber die Wahl zwischen Damegewinn und Dauerschach hatte. Er wählte den vermeintlichen Gewinnzug, musste nach Schreiners Antwort aber erkennen, dass er einer Chimäre zum Opfer gefallen war.




Martin Hart (r.) kam gegen Uwe Rick endlich zu seinem ersten Sieg – zuvor geschah allerdings Haarsträubendes!

In der folgenden Partie fand der Lüneburger etwas Raffiniertes. Die Idee war gut, die Ausführung aber bescheiden. Am Ende fehlte die Figur und die Partie war futsch. Mit dem richtigen Zug war aber ein Remis greifbar. So konnten sich auch die Lüneburger auf die ‚Suche nach dem verlorenen (halben) Punkt‘ begeben!

Hart (2063) - Rick (1994)
Landesliga 2012/13 (8)

Martin hatte 17.Tad1 gezogen, wonach sein Gegenüber die richtige Idee hatte – nämlich die weiße Dame zu fangen. Dazu muss man ‚nur‘ den Springer abziehen: 17…Sxe5?? Der falsche Abzug! Richtig war 17...Scd4! 18.Db6 Tb8 19.Dxa5 Ta8 20.Dxa8 (20.Db4 Sxf3+ 21.Lxf3 Tfb8=/+) 20...Sxf3+ 21.Lxf3 Txa8 22.Txd3= 18.Sxe5 Lxe5 19.Da7 19.fxe5 Txc5-+ 19...Dxa7 20.Lxa7+- Lb8 21.Lxb8 Txb8 22.Txd3 Txb2 23.c4! 1-0 (39.)



Mit 6,5 P v. 8 ist Hajo Bade der Topscorer der Ersten – das ist ihm zur Gewohnheit geworden!

Allerdings ist es nicht einfach, Jahr für Jahr Top-Leistungen abzurufen und eigentlich kann man das auch nur dann schaffen, wenn man sich vornimmt, auch die eigenen Verluststellungen zu gewinnen. Im folgenden Beispiel sieht man, dass es einen Unterschied zwischen ‚Auf-Gewinn-stehen‘ und ‚Die-Partie-gewinnen‘ gibt. Das ist in der Regel eine schmerzhafte Erfahrung.


Richter (1914) - Bade,(1971)
Landesliga 2012/13 (8)

Richter hatte 33.Lc3 gespielt [>=33.Lc1], wonach 33...Txe3 folgte. 34.Ta8? Der Einschlag hat gewirkt. Und Weiß? Der konnte den Turm ruhig nehmen: 34.fxe3 Sxe3+ 35.Kf2 Sxc2 36.Lb2 Tf8 37.Ke2 Kg6 38.g4 Tf3 39.Txd8 Txb3= 34...a5 mal abgesehen davon, dass 34...Td3! bereits jetzt viel Ärger bereitet, muss sich Weiß fragen, wie er denn seinen Sh5 in Sicherheit bringen will! 35.b4 Td3!! 36.bxa5 bxa5 37.Lxa5 Lxa5 38.Txa5 Kg6 39.g4 Gut, so rettet er den Springer, nicht aber die Partie: 39…Sh4+ 40.Kh2 [40.Kf1 Sf3 41.Tc1 Sd2+ 42.Kg1 Sb3-+] 40...Sf3+ 41.Kg2 Se1+ 0-1






Stefans Leistungsbereitschaft war vorbildlich – das Wörtchen „Kneten“ traf hier den Kern.

Roehrich (1987) - Dorweiler (1847),
Landesliga 2012/13 (8)

44.h4! Knochentrocken gespielt: Weiß fixiert eine weißfeldrige Schwäche. 44…Lc4 45.g5+! hxg5 46.hxg5+ Ke6 47.Lc2 Kf7 48.Th2 Kg7 49.Th6 Te2? 49...Tc6= sieht folgerichtig aus, war aber mitsamt der anschließenden Komplikationen nicht leicht zu berechnen. 50.Lxg6 Txb2 51.f5 Tb6 52.Th7+ Kg8 53.f6 1-0 Und somit verhinderte Stefan das Schlimmste und es besteht noch ein Fünkchen Hoffnung.




Von Reinhold gibt’s leider kein Matchfoto. Kleiner Trost: beim Mannschaftskegeln am Vorabend machte er eine gute Figur!