David gegen Goliath: Hellern 2 gewinnt glücklich gegen Spelle
oder warum man die Hoffnung nie aufgeben sollte!
Einzelergebnisse
Happe, Reinhold (2088) |
Löcken, Siegfried (1975) |
1:0 |
Wöllermann, Jan (1946) |
Altendeitering, Thomas (1833) |
0,5:0,5 |
Hart, Martin (2005) |
Kewe, Stefan (1819) |
0:1 |
Ernst, Franz (1977) |
Haumer, Christian (1736) |
1:0 |
Grosser, Jürgen (1899) |
Arndt, Felix (1680) |
1:0 |
Glindmeier, Hauke (1906) |
Silies, Martin (1705) |
1:0 |
Böhme, Andre (1941) |
Krings, Sebastian (1585) |
0:1 |
Wöllermann, Ludger (1873) |
Schlaetker, Christine (1576) |
0:1 |
Gesamt |
|
4,5:3,5 |
Die Sommerpause war vorbei, die Bretter wurden aufgestellt und die Figuren konnten wieder gerade gerückt werden. Mit spürbarer Gelassenheit erwartete die Reserve des SV Hellern ihren ersten Gegner. Über die Höhe des Sieges war man uneins, aber deutlich sollte er werden, hatten sich doch auf Seiten des Gastgebers ausnahmslos Spieler des aktuellen Landesligakaders versammelt. Eine erdrückende Streitmacht und damit die Neuauflage des beliebten Kräftemessens zwischen David und Goliath: auf der einen Seite Hellern 2 mit einem DWZ-Schnitt von 1948, auf der anderen Seite der Gast aus Spelle, der es auf 1743 brachte.
Nun gut: David soll ja mal so etwas gewonnen haben, berichtet die Legende. Aber im Schach? Niemals.
Es kam anders.
Zunächst bewegte sich alles im Rahmen des Erwarteten: Franz Ernst packte tief in die Traditionsgeschichte der Schacheröffnungen und überrollte Christian Haumer, der nicht ganz mit dem Thema vertraut war. Und nachdem Hauke Glindmeier mit einem routinierten Opfer eine inkorrekte Bauerneroberung seines Gegners Martin Silies durchkreuzt hatte, stand es bereits 2-0 für den Gastgeber.

Hauke Glindmeier (l.) in bestechender Frühform gegen Martin Silies.
Doch auf einmal wurde es schwer: Martin Hart hatte mit den schwarzen Steinen die Entscheidung getroffen, mega-hart auf Gewinn zu spielen, was eine Reihe durchdachter Züge aufs Brett beförderte, aber auch zeitlichen Tribut forderte. Lockes Gegner Stefan Kewe reagierte richtig und packte im 20. Zug ein Scheinopfer aus, das Martin ins Schleudern brachte. Dass der Anziehende nur getrickst hatte, konnte man allerdings nur am heimischen Computer herausfinden und da solche Hilfsmittel beim Turnier nicht zugelassen sind, fand Martin prompt nicht die richtige Abwicklung, die ihm fetten Vorteil eingebracht hätte. Die Minuten verronnen, es schien, als würde sich Schwarz erholen, doch im 31. Zug packte Kewe einen weiteren Hammer aus: 31.h2-h3! Der Zug vermeidet das Matt nach 31.Lxf5?? Te1+ 32.Kf2 T8e2 und droht h3xg4.

Nur noch drei Minuten auf der Uhr des Nachziehenden, der nun mit einem Qualitätsopfer die 2. Reihe des Spellers abräumen konnte: 31...Txc2 32.hxg4 (32.Lxf5 Te1#) 32...Txe4 33.dxe4 (33.gxf5 Te1#) 33...Sxg3 34.Tf2 Tc1+ 35.Kg2 Sxe4= Schwarz hat zwei Bauern für die Qualle und kann zufrieden sein. Stattdessen folgte 31...d5? 32.hxg4 T8xe4? Leider der richtige Zug an der falschen Stelle. 33.dxe4+- (1-0, 38.) Eine gute Partie von Locke mit vielen zwingenden Ideen. Mit zunehmender Zeitnot nahm dann aber die Rechengenauigkeit ab und am Ende kam es nicht einmal zum verdienten Remis. Kewe hatte es verstanden, seinen Gegner zu beeindrucken und Spelle konnte damit den Anschlusstreffer erzielen..

Scharfe Partie zwischen Stefan Kewe (l.) und Martin Hart.
Nachdem Jan Wöllermann am zweiten Brett über eine Punkteteilung nicht hinaus kam, stand es zur Halbzeit 2,5-1,5 für Hellern. Immerhin. Und als nach einer finessenreichen Strategiepartie unseren ersten Brettes Reinhold Happe, der im Reti-System ein fabelhaftes Mittelspiel ohne Damen hinlegte, der Gastgeber sogar mit 3,5 Punkten davonziehen konnte, schien alles gelaufen zu sein.

Jan Wöllermann musste trotz der weißen Steine mit einem Remis zufrieden sein. Rechts: Thomas Altendeitering.
Eine Rechnung ohne Wirt, da der SF Spelle mit einigen Talenten aufgekreuzt war, die offensichtlich nicht bereit waren, sich von großen Namen beeindrucken zu lassen. Und dies bekamen ausgerechnet unsere bärenstark besetzten Bretter 7 und 8 zu spüren: Während Andre Böhme einfach einen schlechten Tag erwischt hatte und an Brett 7 sang- und klanglos gegen den fast 400 Punkte schwächeren Sebastian Krings unterging, hatte der aktuelle Helleraner Vereinsmeister Ludger Wöllermann keine schwerwiegenden Vergehen auf dem Konto, als ihn der Blitz aus heiterem Himmel traf: Ludger hatte statt des einigermaßen sicheren 27. Kg3-g2 den fatalen Zug 27. Dg1-g2 entkorkt. Seine Gegnerin Sabine Schlätker ließ sich nicht zweimal bitten und schlug zu:

27...Lxf5 28.exf5 [28.Th1 Th4 29.Txh4 gxh4+ 30.Kh3 Le6+] 28...Sxf5+!! 29.gxf5 Dxf5 30.Ld5+ Kg7 31.f3 Df4+ [31...Sg4 32.fxg4 (32.Dg1 Df4+ 33.Kg2 Th2+0-1) 32...Df4#] 32.Kf2 Th2 01

Am Ende schmeckte der Sprudel bitter: Ludger Wöllermann (l.) verlor gegen eine aggressiv agierende Nachwuchsspielerin.
Zwar stand es nach diesem Schock immer noch 3,5-2,5, aber Andre verteidigte nur noch einen Scherbenhaufen und so lag alles in den Händen von Jürgen Grosser, der sich schon seit geraumer Zeit mit einer Remisstellung abquälte, die er nur auf Geheiß seines Mannschaftsführers weiter massierte. In einem Läuferendspiel hatte Jürgen den Königsflügel seines Gegners geschickt blockiert und drohte nun den Bauern h2 abzuholen. Allerdings stand sein Bauer g4 auf der Farbe des Läufers, was technische Probleme erzeugte. Kurz vor der Zeitkontrolle kam es dann zum entscheidenden Fehler des Spellers Felix Arndt:

38.Kb2? [Stattdessen hätte 38.Ld5! die Punkteteilung gebracht, da Weiß die Bauern am Damenflügel abtauschen und rechtzeitig den Bauern g4 attackieren kann: Ke3 39.b4 cxb4+ 40.Kxb4 Kf2 41.Kc5 Kg1 42.Kd6 Lc8 43.Ke5 Kxh2 44.Kf4! deckt g3 und Schwarz kann trotz seines Mehrbauern nicht mehr gewinnen: Kh3 45.Lc4 h5 46.Lf1+ Kh2 47.Le2 Kg2 48.Kg5 Kxg3 49.Kxh5=] 38...Le6 39.Lf1+ Kd2 40.Lb5 h6 41.La6 Ke1 42.Kc3 Kf2 43.Lc4 Lc8 44.Kd2 Kg2 45.Ke3 Kxh2 46.Kf4 und Weiß hatte eine ähnliche Stellung wie in der o.a. Variante erreicht. Mit einem Unterschied: Auf dem Damenflügel standen noch die Bauern und Jürgen konnte sich schnell den b-Bauern abholen. Im dem anschließenden Bauernendspiel war er einen Zug schneller und konnte das Endspiel Dame gegen g-Bauer rasch gewinnen.

Der Matchwinner: Jürgen Grosser
Endstand: 4,5-3,5. Ein glückliches Ergebnis, da die Gäste aus Spelle zu Recht als unverdient erlebten. Tapfer gekämpft und dann mit leeren Händen nach Hause fahren zu müssen, ist alles andere als lustig. Aber die Spieler des SF Spelle nahmen es sportlich und unaufgeregt hin und werden hoffentlich in der nächsten Runde das Glück haben, das ihnen beim Saisonauftakt fehlte.
Dr. Ortwin Thal
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