Deutsche Fernschachmannschaftsmeisterschaft (DFMM) (Hier klicken, um alle Partien unseres Teams nachzuspielen)
Recht auffällig sind unsere Erfolge auf einem Gebiet, das nicht unbedingt zu den klassischen Aktivitäten eines Schachvereins gehört: dem Fernschach. Bereits in den späten 70er Jahren wurden in unserer Abteilung eigene Fernschachturniere organisiert, zudem spielten einige Mitglieder erfolgreich in nationalen und internationalen Fernschachturnieren. Als der Deutsche Fernschachbund (BDF) in den 90er Jahren die Deutschen Mannschaftsmeisterschaften auslobte, gehörte der SV Hellern zu den Vereinen „der ersten Stunde“. In einer Qualifikationsphase, die fast vier Jahre dauerte, schaffte das Team (Reinhold Happe, Dr. Ortwin Thal, Edmund Hentschel und Hans-Jürgen Bade) zwar nicht den Sprung in die 1. Liga, aber mit der Qualifikation für die starke 2. Bundesliga war man auch zufrieden.

Das Team 1995: Happe, Bade, Dr. Thal, Hentschel (v.l.n.r.)
2005 wurde die Mannschaft ungeschlagen bester Vizemeister der dreigeteilten 2. Bundesliga und bewarb sich um einen frei gewordenen Platz in der 1. Bundesliga. Der SV Hellern erhielt den Zuschlag des BDF und startete 2005 als neues Mitglied der höchsten Spielklasse in die Saison. Damit gehört das Team zu den neun besten Teams in ganz Deutschland und spielt um den Titel eines Deutschen Fernschachmannschaftsmeisters.

Team 2005: Reinhold Happe, Dr. Ortwin Thal, Jörg Stock und Stefan Röhrich.
Für uns als Liganeuling lief das Turnier überraschend erfolgreich, aber es war nicht das erste Mal, dass sich ein Aufsteiger in der Eliteliga gut präsentierte. An diesem Erfolg hatte in der Anfangsphase einer der beiden Neuzugänge in unserem Team einen großen Anteil: Jörg Stock. Nach fast 15-jähriger Fernschachpause und mit der zweitschlechtesten Rating an Brett 2 gestartet, lieferte der Spitzenspieler unseres Landesligateams eine sensationelle und absolut großmeisterreife Performance ab. Ungeschlagen und mit Siegen gegen den starken Großmeister Horst Handel und den Senior International Master Dr. Fred Kunzelmann erzielte er 5½ v. 8 und katapultierte sich nach der Ratingauswertung mit einer FWZ von 2388 auf Platz 9 der nationalen deutschen Rangliste (die Nr. 1 hat eine FWZ von 2469).
Einen weiteren Paukenschlag lieferte Reinhold Happe ab, der am 1. Brett den BDF-Präsidenten und Ex-Fernschach-Weltmeister Dr. Fritz Baumbach mit einem spektakulären Figurenopfer in die Knie zwang ein raffinierter Zug, den übrigens kein Schachcomputer erkannt hatte:
GM Baumbach (2426) - Happe (2298) [D47]
1. FS-BL 05/07, 07.11.2005
1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 e6 4.e3 Sf6 5.Sc3 Sbd7 6.Ld3 dxc4 7.Lxc4 b5 8.Ld3 Ld6 9.Sg5 Lb7 10.Df3 Db6 11.Dh3 b4 12.Sce4 c5 13.00 h6 14.Sxd6+ Dxd6 15.Td1 00 16.Sf3 Tac8 17.dxc5 Dxc5 18.Sd4 Db6 19.Ld2 Sc5 20.Lf1 Tfd8 21.f3 Sa4 22.Dg3 a5 23.Lc1 Td5 24.b3 Sc3 25.Te1 Tg5 26.Df2 e5 27.h4 Th5 28.Se2

Sce4!! 01
Am Ende belegte Reinhold mit 4½ P v. 8 den 5. Platz in der Brettwertung und verpasste den Sprung auf Platz 2 nur deshalb, weil er aus mannschaftstaktischen Gründen gezwungen war, die Partie gegen den Spandauer Spitzenspieler Dr. Kribben auf Gewinn zu spielen. Reinhold hat übrigens in den zurückliegenden 15 Jahren kaum eine Fernpartie verloren und wurde aufgrund seiner hohen Spielstärke auch mehrfach Vereinsmeister im SV Hellern.
Sehr schwere Aufgaben hatten Stefan Röhrich an Brett 3 und Dr. Ortwin Thal an Brett 4 zu lösen. Beide gehörten zu den nominell schwächsten Spielern an ihren Brettern, lösten ihren Job aber beachtlich. Stefan erreichte mit 3½ P v. 8 immerhin Platz 7, während der Teamleiter mit 4 P v. 8 ein ausgeglichenes Punktekonto vorweisen konnte und auf Platz 5 landete.
Die ersten Monate des Turniers waren richtig spannend und Optimisten erwarteten sogar einen Kampf um den Titel. Dazu reichte es nach der Niederlage gegen den späteren Meister SV Osnabrück dann doch nicht und auch den Vizemeistertitel verpassten wir denkbar knapp, aber der 3. Platz war zusammen mit dem Aufstieg in die 1. Bundesliga ist der größte Erfolg der Fernschachspieler unserer Schachabteilung. Und das Team war stolz darauf, eine Mannschaft zu präsentieren, die (im Gegensatz zu vielen anderen deutschen Fernschachmannschaften) ausschließlich aus Mitgliedern unseres Vereins bestand! Leider löste sich das Team nach Turnierende auf und es sieht ganz danach aus, als würde zumindest das Kapitel Mannschaftsschach im SV Hellern damit beendet sein.
Hier klicken, um alle Partien unseres Teams nachzuspielen
Computer und Fernschach
Viele Laien interessiert dieses Thema natürlich sehr, da häufig angenommen wird, dass Fernschachspieler nur noch die Züge der starken Schachprogramme spielen. In der Tat kommt dies häufig vor, intelligente Fernschachspieler analysieren aber zusätzlich sehr intensiv und sind ständig auf der Suche nach neuen Ideen, was allerdings immer schwerer wird.
Warum eigentlich? Nun, insgesamt ist das Fernschach durch den Computereinsatz wissenschaftlicher geworden. Neben der Nutzung sogenannter Engines wie FRITZ oder Shredder ist die Auswertung riesiger Datenbänke, die weitgehend die Theoriebücher abgelöst haben, genauso wichtig. Allerdings besitzen Engines seit spätestens Mitte der 90er Jahre auf schnellen Rechnern die Spielstärke von Großmeistern und damit hat sich auch das Fernschach geändert. Es wird immer schwieriger, eigene Ideen gegen den Computer durchzusetzen. Meistens werden sie widerlegt. Natürlich empfinden es Außenstehende als zweifelhaft, wenn Spieler, die im Nahschach kaum die Spielstärke von Anfängern erreichen, mithilfe ihrer Computer plötzlich Meisterstärke erreichen. Aber in der Fernschach-Bundesliga ist dieser Spielertyp eine Minderheit. Die meisten Aktiven liegen nahschachlich zwischen Verbands- und 2. Bundesliga, also in einem Ratingbereich von 1900-2300.
Aber: die Anzahl der Remispartien ist durch den Einsatz von Engines sehr hoch! In der zurückliegenden Saison hat unser Team 5 Partien gewonnen und 3 verloren, aber 24x Unentschieden gespielt. Interessant: von den vier Gewinnpartien wurden die meisten durch Züge und Strategien entschieden, die kein Computer entdeckt hatte. Ein Beispiel ist die Entscheidung in der Partie Dr. Thal Bücker (Münster):

35. g4! war ein schwer zu findender Sprengzug, der nach 35
Lg7 36.gxh5 gxh5 37.Lg2 Teb8 den tödlichen Vorstoß 38.f5! ermöglichte und nach 38
e5 39.Lf3 Txb2 40.Lxh5+ Kg8 41.Txe5 forciert die Partie gewann und den wichtigen Erfolg gegen den SK Münster sicherte.
Die komplette Partie findet man ausführlich analysiert und mit launigen Kommentaren versehen in Stefan Bückers Chesscafe: http://www.chesscafe.com/text/kaiss17.pdf
Der von Kritikern prognostizierte Untergang der menschlichen Kreativität hat also noch nicht komplett stattgefunden. Dies ist aber ein geringer Trost: in wenigen Jahren wird man im Fernschach mit eigenen Strategien und Ideen keine Chance mehr gegen Spieler haben, die ihre Partien vom PC erledigen lassen.
| Platz |
Teilnehmer
|
1 |
2 |
3 |
4 |
5 |
6 |
7 |
8 |
9 |
M-Punkte |
B-Punkte |
| 1. |
SV Osnabrück von 1919 I |
|
2 |
2½ |
2½ |
2½ |
2½ |
2 |
2½ |
3 |
14 - 2 |
19½ |
| 2. |
HSG Uni Rostock |
2 |
|
2 |
2 |
2 |
2 |
2 |
2½ |
3 |
10 - 6 |
17½ |
| 3. |
SV Hellern von 1924 |
1½ |
2 |
|
2 |
2½ |
1 |
2½ |
2½ |
3 |
10 - 6 |
17 |
| 4. |
SG Freibauer Lübbecke |
1½ |
2 |
2 |
|
2½ |
2 |
2 |
2 |
2½ |
9 - 7 |
16½ |
| 5. |
SK Münster 32 I |
1½ |
2 |
1½ |
1½ |
|
2½ |
2½ |
2½ |
2 |
8 - 8 |
16 |
| 6. |
SC Zitadelle Spandau I |
1½ |
2 |
3 |
2 |
1½ |
|
1½ |
2½ |
2 |
7 - 9 |
16 |
| 7. |
Schachclub Bocholt 1926 |
2 |
2 |
1½ |
2 |
1½ |
2½ |
|
1½ |
2½ |
7 - 9 |
15½ |
| 8. |
Zugzwang Bocholt I |
1½ |
1½ |
1½ |
2 |
1½ |
1½ |
2½ |
|
2 |
4 - 12 |
14 |
| 9. |
SC Friesen Lichtenberg I |
1 |
1 |
1 |
1½ |
2 |
2 |
1½ |
2 |
|
3 - 13 |
12 |
Dr.Ortwin Thal